
Die Fondazione Ghisla Art Collection in Locarno lädt ein zu einer öffentlichen Vernissage am Samstag, den 18. März von 17.30 bis 19.30 Uhr und zur Saisoneröffnung des Museums am Sonntag, den 19. März 2023 um 13.30 Uhr.
Die gemeinnützige Ghisla Art Collection Foundation wurde im April 2014 mit der Absicht gegründet, der Gemeinschaft ein künstlerisches Erbe von internationalem Wert zur Verfügung zu stellen, das sich an all jene richtet, die in der Kunst einen unauslöschlichen Reichtum sehen.
Das Ehepaar Ghisla, angetrieben von einer wachsenden und eklektischen Leidenschaft für den künstlerischen Ausdruck, entwarf die Kollektion. Die vom Locarner Architekturbüro Moro & Moro konzipierten Räumlichkeiten befinden sich in einem futuristischen Gebäude und liegen im Stadtzentrum, nur wenige Meter vom Yachthafen entfernt.
Für das Jahr 2023 zeigen die ersten sechs Räume des ikonischen roten Kubus eine Auswahl an Werken der Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst von Martine und Pierino Ghisla. Wie immer ist ihre Anordnung weder durch chronologische Strenge noch durch Unterteilung nach Bewegungen oder Trends bestimmt. Wer diese Räume betritt, taucht in absolute Meisterwerke der Pop Art, des Informel, der Konzeptkunst, des Abstraktionismus und des Neuen Dada ein. Um nur einige Namen aus der Dauerexposition im ersten Stock der Ausstellungsfläche zu nennen: Pablo Picasso, René Magritte, Joan Mirò, Roy Lichtenstein, Christo & Jeanne-Claude, Jean-Michel Basquiat, Cy Twombly, Agostino Bonalumi, Lucio Fontana und Fernando Botero.
Wie jedes Jahr werden zur Ergänzung der Ausstellung und gemäß jährlichem Turnus auch einige interessante Vorschläge präsentiert, darunter die Namen Rinus Van de Velde, Mario Schifano, Bernar Venet, Joris Van de Moortel, Paul Ribeyrolles, Turi Simeti, Peter Halley.
Die Stiftung Ghisla Art Collection bleibt ihrer primären Aufgabe der Kunstvermittlung treu und organisiert in ihren Räumen von März bis Dezember verschiedene Aktivitäten, die sich an den ausgestellten Werken orientieren und sich mit ihnen verbinden. In diesem Zeitraum kann man Tanzperformances und Konzerte besuchen, die direkt mit den ausgestellten Werken zusammenhängen. Besonderes Augenmerk wird auf die kulturelle Vermittlung an Kinder und Schulen gelegt. Für sie gibt es verschiedene Bildungsprogramme, die sich an die Bedürfnisse des Alters und des Lehrplans anpassen. Interessant und den Besuch bereichernd ist das im Eintrittspreis inbegriffene Audioguide-System, das dem Besucher in Italienisch, Deutsch, Englisch und Französisch eine wichtige und gut strukturierte didaktische Unterstützung bietet.
Es besteht auch die Möglichkeit, nach Vereinbarung und in vier Sprachen, Führungen zu organisieren. Sehr geschätzt werden die Führungen von Herrn Ghisla selbst, der sich mit großer Bereitschaft und Leidenschaft zur Verfügung stellt, um die Werke mit den Augen des Sammlers zu erläutern.
Im zweiten Stock befindet sich eine temporäre Ausstellung, die den Werken von Alessandro Twombly gewidmet ist. Seine Kunst fasziniert und fesselt, sie betört, überrascht und ist häufig schwer fassbar: Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, sie in eine einzige Definition zu pressen, in eine Schachtel zu stecken, die alle ihre Themen und Formen enthält: denn diese Kunst ist ihrer Natur nach nicht einheitlich, sondern vielfältig. Alessandro Twombly ist Maler und Bildhauer zugleich, er arbeitet im schnellen und flüssigen Rhythmus der Öl- oder Acrylmalerei, um dann ins langsamere, festere und kompaktere Tempo der Bildhauerei zu fallen. Die Bandbreite seiner Produktion umfasst indifferent Figuration und Abstraktion, mit deutlichen Bezügen zur informellen Sprache, ohne sich jemals vollständig einer dieser Kategorien zuordnen zu lassen. Der Künstler malt Blumen und weite Himmel, dennoch keine Stillleben oder Landschaften; er geht entschieden über den Kanon der naturalistischen Darstellung hinaus; er setzt Titel wie ,tempoʽ, was auf italienisch sowohl Wetter als auch Zeit bedeutet, hier jedoch nicht den Sommer- oder Wintertag meint; er präsentiert Bilder von gelben Schwertlilien, die kurz davor sind, für immer zu verblassen mit einem Titel, der sich an den Betrachter wendet und besagt: „It’s the moment/Dies ist der Moment“; auf einem anderen Bild – das in regelmäßigen Abständen großformatig ist – scheint man einen Blick auf ein seltsames tanzendes Monster zu erhaschen, das sich als Silhouette gegen den Himmel abhebt, während die zweideutigen, unheimlichen Worte der Bildunterschrift im Kopf nachhallen: „One day the message was sent/Eines Tages wurde die Botschaft versandt“. Kurzum, man bleibt wie in einem Schwebezustand zwischen Faszination und Beunruhigung, unsicher, ob man sich vor einer Welt blumiger Schönheit und prächtiger Farben befindet oder vor etwas Unbestimmtem, das geschehen wird und einen herausfordern könnte.
Twomblys Kunst ist fröhlich und vital, sie strotzt vor Energie und Farbe und gleichzeitig lässt sie sich nicht einem einheitlichen visuellen und mentalen Territorium zuordnen, da sie von Natur aus ,polymorphʽ ist – um noch einmal einen seiner Titel zu zitieren – und das nicht nur in dem Sinne, dass sie kontinuierlich von der Malerei zur Skulptur und umgekehrt übergeht, sondern auch von einem malerischen Werk zum nächsten, welches unmittelbar an das erste Werk anschließt oder es begleitet: als gäbe es einen ununterbrochenen Dialog, der sich durch die Werke und Disziplinen zieht.
Anlässlich der Ausstellung erscheint ein Band mit Reproduktionen der ausgestellten Werke, einem Essay in italienischer Sprache von Claudio Guarda und einem Text in englischer Sprache von Richard Milazzo.