“EX VOTO”

4. September 2021 – 9. Januar 2022
Die Stiftung Ghisla Art Collection in Locarno beendet in 2021 ihr Programm an Sonderausstellungen mit einer Einzelausstellung von Pierre Casè. Der aus dem Maggiatal stammende Künstler ist einer der bedeutendsten Schweizer Gegenwartskünstler der letzten 40 Jahre. Er hat sich sehr für die Kunstvermittlung und -verbreitung engagiert und war dafür von 1989 bis 2000 sowohl im Kanton als auch auf nationaler Ebene tätig. Zahlreich sind seine Engagements: So war er von 1987 bis 1993 nationaler Präsident der SPSAS (Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten) und von 1989 bis 2000 künstlerischer Leiter der Casa Rusca Art Gallery in Locarno. Seit 2001 widmet er sich ganz der künstlerischen Produktion.

Die vom Künstler selbst kuratierte Ausstellung mit dem Titel „EX VOTO“ umfasst mehr als 400 Werke und bezieht sich auf die Produktion der vergangenen Jahre. Die Ausstellung entwickelt ihre Handlungen, wie auch bereits in der Vergangenheit, aus einer Serialität heraus, die die Werke von Pierre Casè häufig auszeichnet und auf einer tiefgreifenden thematischen Studie basiert.

Es ist eine Ausstellungsroute bestehend aus 14 Serien mit je 30 Werken, die in einem engen Dialog zueinander stehen und in denen der Künstler mit seiner typischen materiellen Ausdruckskraft von einem in unserem Land bis in die jüngste Vergangenheit tief verwurzelten Brauch erzählt. Die EX VOTOs sind Bildwerke, die von dem ausgeprägten künstlerischen Ausdruck des Volkes zeugen, das den Göttern dafür dankt, wenn es einer Gefahr entronnen ist oder eine Schwierigkeit überwunden hat. Von Casè geschickt mit agnostischem Blick aufgegriffen werden sie in einen Vektor verwandelt, der in der Lage ist, die Erinnerung an Gegenstände und Tätigkeiten unserer Vorfahren weiterzugeben. Objekte, die in direktem Zusammenhang mit der materiellen Kultur stehen, werden zu einer Geschichte, die interessante Korrespondenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellt und dem Besucher zahlreiche Denkanstöße gibt.
Eisen, Feuer, Teer, Mineralfarben und Metalldraht sind die Elemente, die der Künstler mit den thematischen Objekten jeder Serie vermischt. Eine Kombination, die von dem Territorium erzählt, das Casè liebt, dem Maggiatal, dessen Berge, Steine und Flüsse schon immer den Stil und die Sprache dieses eklektischen lokalen Künstlers geprägt haben.

Eine Ausstellung, die in einer kraftvollen künstlerischen Geste besteht, welche neue Zusammenhänge und Dialoge schafft. In ihr wird der Widerstand gegen das Auslöschen der Erinnerung durch den Lauf der Zeit zu einem Zeichen der zivilen Ethik, das in einem Gefühl tiefer Verantwortung gegenüber der Nachwelt wurzelt. Die harmonische Stimme der dargestellten Aktivitäten schafft neue Korrespondenzen und vermittelt das Gefühl, vor etwas weltlich Heiligem zu stehen. In einer Epoche, in der die symbolische Dimension immer mehr durch sterile Funktionalität ersetzt wird, sind die Werke von Casè eine Aufforderung, Frieden mit der Seele zu schließen und jene fundamentale Ruhe wiederzuerlangen, die es erlaubt, die Welt losgelöst von jeglicher Funktion zu betrachten.

      

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